Glenn Goulds Klavierstuhl: Eine ergonomische Analyse
Die Bedeutung der korrekten Sitzhöhe
Glenn Gould, einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts, war bekannt für seine einzigartige Spieltechnik und seine besondere Sitzhaltung am Klavier. Jahrelang kursierten falsche Informationen über seine angeblich extrem niedrige Sitzposition – ein Irrtum, der aus ergonomischer Sicht keinen Sinn ergeben hätte.
Die tatsächlichen Maße
- Standardhöhe einer Klaviertastatur: 72-75 cm
- Normaler Klavierhocker: 47-50 cm
- Goulds tatsächliche Sitzhöhe: 50-55 cm
Ergonomische Vorteile seiner Sitzposition
Goulds leicht erhöhte Sitzposition bot mehrere entscheidende Vorteile:
- Optimaler Anschlagswinkel
- Die Finger konnten natürlich von oben auf die Tasten fallen
- Bessere Kontrolle über die Anschlagsdynamik
- Geringere Ermüdung der Handmuskulatur
- Charakteristische Schulterposition
- Die tiefe Schulterposition wurde durch die erhöhte Sitzposition erst ermöglicht
- Ermöglichte seine typische, leicht nach vorne gebeugte Haltung
- Reduzierte unnötige Spannungen in der Schulter-Nacken-Region
- Bewegungsfreiheit
- Größerer Bewegungsspielraum für die Arme
- Bessere Gewichtsverteilung
- Effizienterer Einsatz der Armmuskulatur
Der spezielle Klavierstuhl
Goulds persönlicher Klavierstuhl, den sein Vater für ihn modifiziert hatte, war mehr als nur ein Möbelstück – er war ein essentielles Werkzeug für seine Kunst. Die wichtigsten Merkmale:
- Individuell einstellbare Höhe
- Stabilere Konstruktion als übliche Klavierhocker
- Speziell angepasste Sitzfläche für optimalen Halt
Bedeutung für die Musikpädagogik
Die Korrektur der falschen Angaben über Goulds Sitzhöhe ist auch für die heutige Klavierpädagogik relevant:
- Sie zeigt die Wichtigkeit einer ergonomisch sinnvollen Sitzposition
- Verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Sitzhöhe und Anschlagstechnik
- Unterstreicht die Bedeutung individueller Anpassungen
Fazit
Die lange Zeit kolportierte extreme Niedrigsitzposition Goulds entpuppt sich als Mythos, der einer sachlichen Überprüfung nicht standhält. Seine tatsächliche, leicht erhöhte Sitzposition macht sowohl ergonomisch als auch spieltechnisch weitaus mehr Sinn und erklärt besser, wie er seinen charakteristischen Klavierstil entwickeln und über Jahrzehnte beibehalten konnte.
Diese Korrektur mahnt uns auch, historische „Fakten“ stets kritisch zu hinterfragen und auf ihre praktische Plausibilität zu überprüfen. Gerade in der Musikgeschichte haben sich manchmal Mythen und Ungenauigkeiten eingeschlichen, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.